Kritik zum Konzert am 18. Oktober 2001


Erschienen in den Dresdner Neusten Nachrichten am 22. Oktober 2001


Von bieder bis brachial

Klaviertrio-Abend mit Neuer Musik im Kulturrathaus

Wenn der Cellist Matthias Lorenz zum Konzert antritt, dann darf man im allgemeinen mit interessanten Entdeckungen rechnen. Für das jüngste Projekt hatten Lorenz, die Geigerin Uta-Maria Lempert und der Pianisten Stefan Eder ein Programm um die Klaviertrio-Besetzung zusammengestellt, das allerdings leider auch mit einigen Enttäuschungen aufwartete. Zu Beginn "Trilogie der Steine" von Ulrich Küchl: die vielversprechenden Satztitel "Lava", "Findlinge" und "Kraftplätze" waren mit der reichlich handgestrickten Musik kaum in Verbindung zu bringen. Dann ein Klaviersolostück von Wolfgang Seierl, "weißt Du, ob es noch weit ist" - ein Versuch, durch repetierte Einzeltöne und vollgriffige Akkorde Intensität zu erreichen, der, trotz Stefan Eders besten Bemühungen, kaum gelang. Allein der plötzlich abbrechende Schluß barg zumindest ein Überraschungsmoment. Nach soviel Biederkeit war man zunächst dankbar für die brachialen Geräusche und Klangverfremdungen, die Michael Maierhof in "Sugar 1" dem Trio abverlangte. Den weit voneinander entfernt postierten Musikern gelang es jedoch nicht immer, in den langen Pausen die Spannung zu halten, und das wenig differenzierte Schaben mit Plastik- und Tongefäßen auf den Saiten des Flügels, das in einigen Einwürfen der Streicher kaum ein Gegengewicht fand, trug nicht über die Dauer dieser Uraufführung.

Nach der Pause wurde man dann ein wenig versöhnt: zunächst Bernd Alois Zimmermanns "Intercomunicazione", ein Stück, mit dem Lorenz und Eder immer besser vertraut werden. In ihrer Interpretation kommt eher die Unmöglichkeit der Kommunikation dieses kompromisslosen Werkes zur Geltung: Lorenz spielt den Cellopart extrem rauh, ohne falsche Kontemplation, doch mit ungeheurer Intensität und Selbstverständlichkeit. Eder legte den Klavierpart, der sich dagegen schwer behaupten kann, eher weich und flächig an - ein wenig mehr Selbstbewusstsein könnte hier möglicherweise noch Perspektiven eröffnen. Leider hätte der Flügel nach den Maierhofschen Attacken auch ein Nachstimmen bitter nötig gehabt; auch in dieser Hinsicht war das Programm nicht bis in letzte durchdacht. Vor allem aber sollte man als Musiker wissen, dass ein Werk wie "Intercomunicazione" jedes Konzert so dominiert, dass man mit der Auswahl der übrigen Stücke ausgesprochen kritisch und sorgfältig verfahren muss. Die zweite Uraufführung des Abends, "Sieben kleine Sätze" von Friedemann Schmidt-Mechau, konnte sich daneben allerdings gut behaupten. Ein raffiniertes, subversives, präzises Stück, in das stumme Gesten - wie ein zärtliches Drehen der Geige oder ein kurzer Rundlauf ums Cello - ebenso integriert sind wie bezaubernde Klopf-Passagen auf dem Instrumentenkorpus und dem Deckel des Flügels. Das alles erschien nicht als billiger, gesuchter Effekt, sondern passte sich wie selbstverständlich ein; den Interpreten machte dies sichtlich Freude, wenngleich manche dieser Aktionen noch etwas konzentrierter hätten zelebriert werden können. Von tiefer (Selbst-)Ironie schließlich die Anweisung, den letzten Abschnitt des Stückes spontan durch ein Mitglied des Publikums spielen zu lassen... Immerhin also ein feinsinniger Abschluss eines risikant konzipierten Kammermusikabends.

Benjamin Schweitzer


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