Kritik zum Konzert am 1. Juli 2000


Erschienen in den Dresdner Neusten Nachrichten am 6. Juli 2000


Dicht und anspruchsvoll - Der Cellist Matthias Lorenz in der Blauen Fabrik

Von dem Komponisten Bernd Alois Zimmermann gibt es einen Essay über die Bedeutung des Cellos in der Neuen Musik, für den der Soloabend mit dem seit kurzem in Dresden ansässigen Matthias Lorenz wie eine klingende Illustration wirkte. Zimmermanns Cellosonate, mit dem Entstehungsjahr 1960 das älteste der Werke im Programm, bildete zwar den Abschluss, doch die grundlegende Bedeutung dieses Stückes für die zeitgenössische Cellotechnik stand hier einmal mehr von Beginn an außer Zweifel. Lorenz spielte die Sonate dicht und heftig und ließ sich von der Unterteilung in viele kleine Abschnitte nicht zu falschen, den Zusammenhang unterbrechenden kontemplativen Pausen hinreißen: die Geschlossenheit des Werkes kam so voll zur Geltung.

Begonnen hatte der Abend mit Klaus Hubers "transpositio ad infinitum", das im Untertitel ("für ein virtuoses Solocello") den Interpreten schon ausspart, als solle sich das Instrument verselbstständigen. Wichtig war hier vor allem der Übergang von äußerer, durch halsbrecherische Sprünge und bogentechnische Anforderungen geprägter Brillanz zu einer gewissermaßen "inneren" Virtuosität in ausgehorchten, liegenden Klängen.

Beides schien Lorenz gleichermaßen zu liegen, und auch das rasche Umschalten von einer Stimmung zur anderen gelang immer wieder ohne Brüche, so dass das In-sich-Kreisen des Werkes gut verständlich wurde. Georges Aperghis' "Quatre Récitations", intrikate Kompositions- und Interpretationsetüden, ließen dagegen eine passagenweise fast meditative Konzentration auf je ein genau untersuchtes kompositorisches wie klangliches Modell zu. Volker Heyns "Blues in B flat" war das genaue Gegenteil dieser feinsinnigen Studien: ruppig, dreckig in der Tongebung, die Herkunft des Blues (der übrigens auch Zimmermann zeitlebens faszinierte!) aus der gesellschaftlichen Unterschicht bis zum Streichen der Saiten von unten illustrierend und das Cello an die Grenzen zur E-Gitarre führend: auch dieser Facette waren Spieler und Instrument gewachsen.

Dazwischen gab Matthias Lorenz detaillierte, auch persönlich gefärbte Erläuterungen zu den Stücken und seiner Interpretation, die ihn als nicht allein virtuosen, sondern auch gewissenhaft reflektierenden Musiker ausweisen. Es stimmt bedenklich, dass sich in der "Kulturstadt" Dresden zu so dichten, anspruchsvollen Abenden (wie auch hier wieder) kaum noch mehr als ein Dutzend Zuhörer einfinden mögen.

Benjamin Schweitzer


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